...DES GARTENS.
AM 12. FEBRUAR HAT DIE BÜRGERLISTE WEIßKIRCHEN ZUM VORTRAG "DIE HEILENDE KRAFT DES GARTENS" IN DEN PFARRSAAL EINGELADEN.
REFERENTIN WAR MAGISTRA WALTRAUD NEUPER.
Das Thema "Die heilende Kraft des Gartens" hat viele Garteninteressierte angelockt.
Der Einstieg in das Thema hat viele Zuhörer anfangs erstaunen lassen.
Waltraud hat einige Fragen gestellt: Was bedeutet: "heil sein?", "Kraft?", "Kultur?", "mit Demut in den Garten gehen?"....
Sie hat versucht dem Auditorium verständlich zu machen, dass der Garten ein ORGANISMUS ist und was alles notwendig ist, damit dieser Organismus gut funktionieren kann. Jedem sollte bewusst sein, dass die Pfanze das einzige Lebewesen ist, dass niemanden töten muss, um sich zu ernähren. Bei der Photosynthese wird mit Hilfe des Sonnenlichts Wasser und CO2 in Glucose und Sauerstoff umgewandelt. Die Pflanze spendet uns Sauerstoff zum Atmen und Nährstoffe, die Tiere und Menschen zum Leben brauchen.
Waltraud hat uns dankenswerter Weise ihr Skriptum zur Verfügung gestellt:
DIE HEILENDE KRAFT DES GARTENS
Dazu sind die beiden Begriffe, welche im Wort Heilkraft stecken, genauer zu betrachten:
Heil sein bedeutet: Begnadet, unversehrt, ganz, erlöst sein.
Ich werde mich auf die Bedeutung ganz sein festlegen und so frage ich:
Was heißt es ganz zu sein?
Ganz sein heißt: nicht beschädigt, nicht geteilt,
nicht zertrennt, nicht fragmentiert, nicht ausgegrenzt zu sein.
Nicht ausgeschlossen sein, sondern angeschlossen an das große Ganze.
Der zweite Begriff ist die Kraft: Wir kennen sie unter der Formel:
F=m.a, was so viel bedeutet wie: Unter einem Newton (Messeinheit
für Kraft) verstehen wir jene Kraft, die man braucht, um ein
Kilogramm Masse in einer Sekunde einen Meter weiterzubewegen.
Wir können Kraft nicht sehen, wir können sie nur an ihrer Wirkung
wahrnehmen.
Kraft bewegt immer etwas und so können wir annehmen, dass die
Heilkraft auch etwas bewegt.
Heilkraft ist jene Kraft, die uns immer wieder heil, immer
wieder ganz macht.
Wann aber sind wir ganz, sind wir heil?
Im anthroposophischen Bild können wir annehmen, dass unsere vier
Wesensglieder je in sich und im Zusammenspiel ganz werden müssen,
um sich ganz, sich heil zu fühlen und heil zu wissen.
Ganzheit ist nichts Statisches
Unsere Ganzheit ist nichts Statisches, das man einmal erreicht und
dann für immer hat. Nein, unsere Ganzheit ist äußerst dynamisch,
immer fragil. Wir können eigentlich nur von temporären Zuständen
der Ganzheit sprechen. Aber wir können versuchen sowohl die Dauer,
wie auch die Frequenz dieses Zustandes zu erhöhen und dann reden
wir von einem sinnvollen, erfüllten Leben. Soweit die Theorie.
Praktisch beginnen wir bei unserem stofflichen Körper:
Unser stofflicher Körper ist ganz, wenn er die nötige Nahrung
bekommt und er gesund ist.
Und schon hier erfahren wir, dass diese Ganzheit nur vorübergehend
ist: Bald schon haben wir wieder Hunger, sind müde, weil die Energie
fehlt usw. Aber diese Ganzheit ist in unseren Breiten schnell
herzustellen, da wir genug zu essen und genügend Arzneien haben,
uns gesund zu halten. Hier könnte man die Pole Hunger (Durst)
und Satt-Sein als Waagschalen für diese Dynamik nennen.
Und es ist zu betonen, dass wir mit ein wenig Aufmerksamkeit genau den
Zustand des Ganz-Seins wahrnehmen können.
Auf der Ebene der Lebensfunktionen wenden wir uns den
Lebensprozessen zu und erfahren Ganzheit, wenn wir genug Luft
bekommen, die Verdauung in Ordnung abläuft, unsere
Körpertemperatur durch adäquate Raumtemperaturen
und angepasste Kleidung auf angenehmer Höhe gehalten werden kann
usf. Und auch hier ist der Augenblick der Ganzheit gut zu spüren.
Spüren im Sinne von bewusstem Wahrnehmen
Denken wir einmal an die Atmung: Da ist es der Moment, die Pause
nach dem Ausatmen. Wir haben also an einem Tag 20 000mal die
Möglichkeit, uns ganz zu fühlen. Unsere Entscheidung! Denken wir an
den Vorgang der Verdauung. Wir alle kennen dieses Gefühl der
Erleichterung, des neuen Ganz-Seins, wenn gut verdauter Stuhl
unseren Körper verlässt. Aber auch diese Ganzheit ist nicht von langer
Dauer. Auch unsere Körpertemperatur kann uns Momente des Ganz-
Seins verschaffen. Und auch hier ist die Ganzheit nie von Dauer, weil
wir uns nicht immerfort in der gleichen Umgebungstemperatur
befinden. Aber wir kennen dieses angenehme Gefühl, wenn die
Temperatur „stimmt“. Diese Beispiele zeigen uns, dass Ganzheit in
einem bestimmten Rhythmus verlorengeht und immer wieder
errungen, erarbeitet oder hergestellt werden muss. Dieser Rhythmus
ist der Motor der Dynamik.
Ganzheit wird immer wieder verloren und neu gefunden!
Darum können wir Ganzheit auch prozessual verstehen lernen.
Dafür aber müssen wir unseren materialistischen Standpunkt
aufgeben, für das Etwas-Sein das Etwas-Werden, für das Jemand-
Sein das Jemand-Werden setzen.
In unserem Seelischen fühlen wir uns ganz, wenn unsere Bedürfnisse
nach Geborgenheit, nach Schönheit, nach Sinnhaftigkeit erfüllt sind.
Soll unser Leben dynamisch sein, dann verläuft es wie eine Sinuskurve
– einmal hinauf, dann wieder hinunter am Stimmungsthermometer.
Nicht im Erfüllt-Sein der Bedürfnisse liegt die Lust, das Glück, die
Freude – sondern im Erfüllen der Bedürfnisse. Dazu muss es dann
aber wiederum die Zustände des Nicht-Erfüllt-Seins geben, den
Mangel. Und auch hier gibt es wieder diesen Moment – im Erreichen
des Zieles spürt man diese Ganzheit. Hier ist uns ein Berggipfel und
gutes Bild: Das Erreichen des Gipfels ist doch der Ziel- und Höhepunkt
des Aufstiegs – aber wer möchte immer am Gipfel oben bleiben? (4)
Darum gilt auch im Reich der Gefühle: Ganzheit ist dynamisch und
kein ewiger Seligkeitszustand.
GOETHE hat uns dazu zwei Gedanken vorausgedacht: Es ist nichts
schwerer zu ertragen, als eine Reihe von glücklichen Tagen.
Seine zweite Überlegung: Wenn Du dies nicht hast, dieses Stirb und
Werde…

Das Heil liegt nicht im Endzustand, das Heil liegt im Prozess,
im Erarbeiten, im Erwarten, im Erfüllen. Im Ausspannen der Gefühlsweite
von glücklich zu todunglücklich, von Freude zu Trauer,
von Lust zu Unlust. Das Ertragen dieser Spannung ist das Vehikel zur
Ganzheit.
Jetzt bleibt noch die Frage, wann wir im Geistigen, im Bewusstsein
ganz sind. Um diese Frage beantworten zu können, fassen wir die
vorigen Heilszustände zusammen: Selbst, wenn wir den Zustand des
guten Satt-Seins erreicht haben, wenn alle unsere Lebensprozesse
gesund ablaufen und wenn wir aus irgendeinem Grund gerade ein
großes Glücksgefühl erleben, leuchtet hinter diesem Heil-Sein - oft
genug unbemerkt, aber manchmal erfassen wir es - ein Gefühl der
Leere auf, diese Gewissheit, dass noch etwas fehlt zur Ganzheit, zum
Ganz-Sein, zum Heil-Sein. Wer hier bewusst ist, hellsinnig oder sehr
aufmerksam, der oder die kennt die Antwort, weiß, dass dies die
Sehnsucht nach spiritueller Ganzheit ist. Für die Ganzheit im
Geistigen braucht es nicht nur das kognitive Wissen oder Gefühle des
Verstehens.
Im Geistigen sind wir ganz, wenn wir an das große Ganze
angebunden sind. Und das ist keine Frage der Religion. In den großen
Weisheitslehren ist dies die Erleuchtung, jener kurze Moment der
vollkommenen Ruhe, der Wunschlosigkeit, der Leere.
Damit haben wir die Heilkraft als dynamisches Prinzip beschrieben.
Im Titel schreiben wir dem Garten diese Heilkraft zu, wenn wir sagen:
Die Heilkraft des Gartens. Und so wollen wir jetzt die Quellen, die
Tankstellen dieser Kraft im Garten suchen.
Wann und wodurch kann uns der Garten helfen, heil zu werden?
Wir beginnen wieder nach dem erprobten Muster der Wesensglieder:
Im Stofflichen kann uns der Garten alles bieten, was wir zum
physischen Leben brauchen. Denn die Pflanzen sind die Grundlage
unserer gesamten Ernährung auf dem terrestrischen Teil der Erde.
Hier können wir uns die ganze Fülle eines Gartens vor Augen führen.
Vom Radieschen bis zum Kürbis, von der Karotte bis zum Krautkopf
usf. Und ob der Garten meinen ganzen Bedarf abdeckt, hängt nur von
mir ab.
Suchen wir im Garten nach einer Kraftquelle für den Lebensleib,
ich meine damit die Lebendigkeit, dann treten wir ein ins Reich der
Elemente. Denn alles was ist, besteht nur als Manifestation, als
Verhältnis dieser Elemente. Erde, Wasser, Luft und Wärme. Dieses
Verhältnis verändert sich ständig in ganz bestimmten Rhythmen: Im
Einatmen und Ausatmen der Erde von einer Sonnenwende zur
nächsten. Und wieder sehen wir, dass diese Wendepunkte die Punkte
der Ganzheit sind und von den alten Kulturen als Fest zelebriert
wurden. Wir haben den täglichen Rhythmus von Tag und Nacht,
welcher mit Mitternacht und Mittag seine Höhepunkte hat.
Das Geheimnis dieser Kraft, liegt in der Verbindung von ständiger
Veränderung bei offensichtlicher dem Garten heraus,
und finde ihn am Morgen wieder genauso vor.
Das gibt Sicherheit und trägt gleichzeitig in sich diese gerichtete
Kraft. Er sieht vertraut aus, ist aber in Wirklichkeit verändert – bietet
Neues, Überraschendes: Eine Blüte da, eine rote Erdbeere dort, den
verschwebenden Duft einer Blume.
Dieses Überrascht-Werden weckt Empfindungen der Freude,
des Staunens, der Neugierde in uns.
Und diese Empfindungen beleben uns. Man könnte das so
beschreiben, dass wir sagen: Der Garten zeigt hohe Verlässlichkeit im
Beständigen, aber vor allem im beständigen Hervorbringen von
Neuem. Ohne unser Zutun.
Und das Ganze läuft in beruhigender, ordnender Langsamkeit ab –
bei innerer Zügigkeit. Diesen Zug spüren wir – und dieser Zug, diese
verlässliche Zügigkeit belebt uns. Denn es sind ja nicht nur einige
Pflanzen die wachsen, sondern alles wächst gleichzeitig.
Gehe ich nun in den Garten, betrete ich dieses Kraftfeld, ich nehme
aktiv, aber unbewusst teil an der Kraft dieser Veränderung. Ich freue
mich über dieses sich ständige Verändern, anders-Werden, das
Wachsen und gestalte den Vorgang mit durch mein Lockern,
Hacken, Lüften, Säen, Setzen, Jäten, Gießen, Mulchen. Ich bringe mich
ein in diesen Prozess, halte das Gleichgewicht von Leben und
Vergehen. Ich kann zum Ausgleich werden, ich ermögliche, dass die
Kräfte fließen können und erlebe ein Wunder: Die Kräfte fließen
ständig nach. Es fließt immerfort Freude nach. Das ist wohl auch der
Grund, dass es keinen grantigen, abgespannten Gärtner bzw.
Gärtnerin gibt. Man kriegt höchstens zu hören: Mein Körper ist jetzt
ordentlich müde, aber mein Herz ist voll der Freude. (Das gilt
natürlich nur solange das Geschehen im Garten nicht reine Erwerbs-
Produktion ist. Denn dort gelten wirtschaftliche und arbeitstechnische Gesetze.
Und wieder sei mir ein kleiner Ausflug in die Philosophie gestattet:
Die obige Unterscheidung in Produktionsgarten und einfach Garten
entscheidet sich an unserer Haltung. Denn es ist bei vielen
Hausgärtnerinnen und Hausgärtnern durchaus die Haltung zu
bemerken, dass der Garten liefern soll, große Kürbisse bringen soll.
Ich möchte hier betonen, dass ein Garten nur heilsam wirken kann,
wenn ich ihn mit der Haltung der Demut betrete. Eine Teilnehmerin
an unserem laufenden Lehrgang (https://biodynamisch-lehren-
forschen.at/seminarreihe-gartenbau/) hat Demut folgendermaßen
definiert:
Demut, das ist der Mut geduldig zu sein
Ich trete also mit Demut in den Garten ein und das bedeutet, ich
beobachte, nehme wahr und frage, welche Prozesse im Garten
brauchen mich jetzt für ihr Gleichgewicht, das heißt für ihr Gedeihen:
Ich lasse mich darauf ein, gerufen zu werden; da ruft mich ein Stück
Erde, welches nackt daliegt und gemulcht werden will, da lässt eine
Pflanze alle ihre Blätter hängen, weil sie gegossen werden will, dort
reifen schon die ersten Erbsen und wollen süß gegessen werden und
nicht vertrocknen und dann Schelte bekommen, dass sie bitter und
hart seien.
Wir wollen ja den Garten also lebendigen Organismus begreifen
lernen (wie überhaupt unsere Erde) und nicht als eine Stätte, wo
Blumen und Gemüse produziert wird.
Wenn wir ihn als Organismus verstehen, dann muss ich mich als
Mensch auch fragen, was ich in diesem Organismus bin.(1) Im
gescheitesten Fall erkenne ich mich als ein Organ neben dem Organ
Pflanze, neben dem Organ Boden, neben dem Organ Klima und
Wetter. Im Duden steht, „ein Organismus ist das Zusammenwirken
von Organen, welche sinnvoll aufeinander abgestimmt sind.“
Ich bin nur ein Organ im Garten
und muss - dank meiner Fähigkeit zu
denken, zu fühlen und zu wollen – nun herausfinden, was ich tun
muss im Garten, um das lebendige Gleichgewicht im
Gesamtorganismus Garten immer wieder herzustellen.
Wir haben ja den Garten der Natur entrissen,
die dieses Gleichgewicht selbst reguliert.
Deshalb muss ich mich fragen, welcher Prozess
entgleist gerade (z.B. Unkraut nimmt den Kulturpflanzen Licht weg),
welche Pflanzen leiden gerade an einem zu harten Boden…Und dann
muss ich mich in diese Aufgabe hineinstellen und immer wieder
ausgleichen. Und dann mit dem Mut der Geduld auf das Reifen der
Pflanzen warten.
Wir reden jetzt in diesem Sinne weiter, dass der Garten ein lebendiger
Organismus und keine Produktionsstätte ist.
Und alle, die in einem Schulgarten oder Kindergarten-Garten
arbeiten oder mithelfen werden bestätigen, dass
ein Schulgarten, ein Kindergarten-Garten keine
Produktionsstätte, sondern ein Freude-Lern-Raum ist.
Er ist auch keine Wissens-Produktionsstätte, sondern ein Raum des
Staunen-Dürfens, nicht alles sofort Wissen-Müssens. Denn auch
dieser Wissensdrang ist Bemächtigungswillen. Der Garten wird hier
nur dann zur Kraftquelle, wenn ich wahrnehmend den Prozessen
folge und erst am Ende dieser Beobachtungs- und Erkenntnisschritte
den Pflanzen einen Namen gebe – dann aber auch gleich den
Familiennamen dazu. Es ist wieder einmal daran zu denken, dass
alles Urteilen die weitere Beobachtung und das Spüren abschließt.
(1)Das ist die große Frage des Lebendigen: Bestimmt der Organismus, was die einzelnen Organe zu tun haben,
oder ist die Summe aller Wirkungen und Funktionen der Organe dann der Organismus, oder wird der
Organismus außengesteuert, durch Kräfte, die wir nicht kennen…(A.N. Whitehead – Prozess und Leben)9
Hier tritt aus der Perspektive der gelebten Kindergartenpädagogik
die Frage auf, ob nicht der Wald auch diese Kraftquelle sein könnte?
Das stimmt für das reine Erleben von Natur. In der Natur wächst ES,
sprießt ES. Ich komme dazu und kann Es genießen, mich dort
bewegen, kreativ sein, mich mit dem Vorhandenen – den Bäumen,
Bächen, Pflanzen, abgestorbenen Ästen, trockenen Tannenzapfen für
die Zeit des Dort-Seins verbinden, eine Hütte bauen oder gar ein
ganzes Dorf, Löcher graben, auf Bäume klettern, Verstecken spielen,
Tiere beobachten und vieles andere mehr.
Im Garten wird dieses Wachsen und Sprießen nun mit dem Ich
verbunden – ich trete in meine Wirksamkeit.
Ich bewirke etwas, wenn ichetwas tue, pflege, jäte, lockere, gieße, mulche.
Dabei komme ich in eine innere Befriedigung, es tut gut – denn die Pflanzen
zeigen recht bald eine große Dankbarkeit, indem sie sich aufrichten, strahlen, froh
wachsen. Es gibt in der Landwirtschaft diesen Begriff für gesundes
Wachstum. Wir sagen dann, diese Sorte oder dieses Feld ist
frohwüchsig. Diese Dankbarkeit der Pflanzen wird zu meiner, wird zu
meinem Sinn, weil ich deutlich spüre, etwas Sinnvolles getan zu haben.
Und dieses Gefühl der Dankbarkeit ist heilsam.
(Geschichte mit den Karotten)
Diese Zuwendung zu kleinen Pflänzchen, denen ich durch mein Jäten
zu Licht, durch mein Gießen zum Wachsen verhelfe, durch mein
Mulchen vor dem Austrocknen bewahre, verbindet mich mit
lebendigen, kraftspendenden Prozessen und es beginnt sich Freude
zu entwickeln.
In diesem Sinne wird ein Garten zur Quelle der Erholung. Erholen –
das heißt doch, wir können uns im Garten etwas holen. Etwas holen
um meine Müdigkeit zu heilen. Ich hole mir Freude, indem ich an den
Lebensprozessen der Pflanzen und Tiere dort teilhaben kann durch
mein Tun.(10)
Freude an einem Tun ist immer ein Lebendigkeit spendendes Elixier,
umso mehr, wenn dieses Tun mich mit lebenden Wesen verbindet.
Das Tun hat noch einen anderen Aspekt.
Es hat ein Ziel – die Ernte. Dabei eröffnet sich ein neuer innerer
Prozess:
Der Prozess des Wartens
Denn ich kann die Ernte nicht beschleunigen, ich muss warten lernen,
will ich nicht etwas Unreifes abreißen.
Dabei tut sich der ganze Frage-Reigen der Reifestadien und
Reifeprozesse auf: Wann ist etwas reif? Diese Frage sollten wir uns
öfter stellen, denn an der Pflanze können wir die vieldimensionale
Wirkung der beteiligten Prozesse erkennen. Im Garten können wir
erfahren, dass alles zu seiner Zeit reif wird.
Ich kann keinen einzigen Prozess beschleunigen oder
abkürzen, ohne dass das Folgen für den nächsten Prozess hat.
Hier ist der Ort, wo ich über die Düngung etwas Grundsätzliches
einfügen möchte: Im biodynamischen Landbau (Demeter) versteht
man unter Düngen nicht, die Pflanze zu düngen, sondern den Boden
zu ernähren. Gebe ich meinen Samen in eine gedüngte Erde, bildet sie
weniger Wurzeln. Richtig wäre es, den Boden im Herbst mit Kompost
oder Mist zu versorgen, damit er diesen über den Winter „verdauen“
kann. Im Frühjahr kommt dann die Pflanze in einen gut verdauten
Boden und bildet viele Wurzeln, mit den sie sich die Nahrung selbst
sucht. Die vielen Wurzeln durchlockern den Boden, gehen mit vielen
Bodenlebewesen – Mikroorganismen, Bakterien, Würmern…-
Beziehungen ein, wachsen bis zur Gesteinsschicht und lösen dort (11)
Mineralien aus dem Stein, holen sie ins Lebendige und bauen damit neuen Boden auf.
Kriegt nun die Pflanze den Dünger direkt vor die
Wurzelnasse, dann braucht sie keine Wurzeln zu bilden. Über die
Folgen auf die Qualität und Reife der Pflanze wäre lange zu reden.
Wurzel-Versuch
Ich möchte diesen Tatbestand mit einem Versuch - den meine Kollegin Michaela Majcenovic nach einer Idee von Johannes Fetscher - durchgeführt hat, verständlich machen. Der unten fotografisch festgehaltene Wurzelversuch kann diesen Tatbestand gut zeigen: Gleich große Gläser, gleich viel Wasser, in den ersten beiden Gläsern (von links) ist reines Wasser, in den mittleren beiden Gläsern wurden je 5 Kügelchen Mineraldünger (Blaukorn) ins Wasser dazugegeben, in den beiden Gläsern auf der rechten Seite wurden je 10 Blaukornkügelchen hineingegeben. Dann wurde oben ein Gazestreifen eingelegt, dass der Roggensamen nicht ins Wasser fällt, aber doch im Wasser keimen kann. Die Bilder zeigen die
Ergebnisse nach 6 Wochen. Wir können sehen, dass die Wurzelbildung in dem Maße abnimmt, als
die Mineraldüngung zunimmt. Am meisten Wurzel bildete der Roggen in der Erde. (Siehe Bilder unten!)
Wurzelversuch mit und ohne Mineraldünger
Gute Wurzelbildung ist die Grundvoraussetzung für eine gesunde, starke Pflanze, aber im gleichen Maße auch für die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit. (Diesen Versuch kann jede/r auch selbst machen.)
Im Garten können wir dieses Warten lernen und die Zeit des Wartens und Beobachtens und Erwartens mit Vorfreude auf die Ernte füllen.
Die Ernte ist ein Höhepunkt und damit das Erreichen des Gipfels, der Abschluss eines Wachstumszyklus. An diesem Punkt erleben wir einen Abschluss, ein Zu-Ende-Kommen.
Ganz-Werden
Hier gilt es wahrzunehmen, dass jetzt der Zyklus für die nächste Ernte
beginnt. Für unsere Zeit ist diese Stelle eine Herausforderung, weil
wir nicht gewohnt sind, in Zyklen zu denken. Aber unmittelbar nach
der Ernte muss ich schon wieder den Boden pflegen für den nächsten
Wachstumszyklus. Das Gegenteil wäre, die Früchte abzuernten und
den Boden sich selbst zu überlassen. (Im Sinne des Kolonialismus!!!)
Die Ernte bietet uns noch einen zweiten heilsamen Aspekt: Wenn ich
heute die Kartoffeln ernte, dann werde ich die nächsten erst in einem
Jahr ernten. Es gibt kein Nachladen – wie in den Regalen der
Supermärkte, wo wie durch ein Wunder das ganze Jahr geerntet
werden kann. Die Erfahrung, dass man jetzt wieder ein Jahr warten
muss kann eine sehr heilsame Erfahrung sein im Sinne des Einteilens
und Durchstrukturierens von Zeitspannen, Abbau von Ungeduld,
Entwickeln von Dankbarkeit für die Früchte und Beziehung zur
Ernte. Es ist pädagogisch erstaunlich zu erleben, wie Kinder, welche
sonst fordernd sind (Ich möchte das und das haben…) dankbar sind
für die paar Erdäpfel, welche sie ausgegraben haben. Ein Erlebnis wert!
Ein Arzneimittellager für unsere Seele
Der Garten stellt nicht nur Heilkräfte für die Heilung von
Lebensprozessen, rhythmischen Störungen zur Verfügung, sondern
bietet auch ein Arzneimittellager für unsere Seele. Die Hauptquelle
dieser Heilkraft ist neben den Kräutern die
Schönheit
Das Wunder der Fülle an Farben, Formen, Gestaltungen, Düften und Tasterlebnissen ergreift jeden Menschen, den einen mehr, die andere weniger. Für uns ist von Bedeutung, dass wir diese Quelle nutzen.
Diese Quelle fließt aber nicht bedingungslos und immerfort: Sie erschließt sich nur im Zustand der Ruhe, der Sammlung, der Zuwendung. Achtlosigkeit verschließt sofort ihre Pforten.(14)
Hinschauen, Verharren, Sinne öffnen ist hier das Geheimnis, das uns
in das Erleben von Schönheit hineinführt. Nicht Hindiktieren – Schau,
da ist eine schöne Blume! – bereitet hier den Boden des heilsamen
Erlebens, sondern Zeiträume schaffen, Staunen zulassen und nicht
dokumentieren, kein Bewerten der Schönheit, und auch kein
„Beworten“ – nur interesseloses Schauen (frei nach Kant) bringt die
Seele zum Schwingen.
Schönheit heilt – genauer, die lebendige Schönheit heilt. Lebendig
schön ist etwas dann, wenn es gleich ins Leben treten könnte.
Schönheit setzt uns Beziehung zu den großen Künstlern – nennen wir
es nun Evolution oder Schöpfer oder Gott. Schönheit ist nie
Behübschung – diese ist nur Strohfeuer und rührt unser Inneres nicht an.
Schönheit zieht uns immer wieder an, belebt uns – entweder
durch Freude oder sogar durch Schmerz.
Und dieser Prozess ist wiederum Voraussetzung, dass wir in jene
Haltung des Empfangens und Beschenkt-Werdens kommen, die uns
die Tür zum Spirituellen aufschließt.
Wir können keinen Prozess auslassen oder überspringen – das haben
wir an der Pflanze lernen dürfen.
Wie wir jetzt in dieser Stunde schrittweise entwickelt haben,
sind Dankbarkeit, Warten-Können (Geduld), Staunen, und
Empfangen-Können (nicht Nehmen) die Stufen für die spirituelle
Anbindung an das Ganze, welche in uns
die Empfindung von
Heil-Sein spürbar werden lässt.
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